Soviel (Un-)Ordnung
Nun ist der Urlaub vorbei und wird hinzugefügt zum Schatz der Erinnerungen. "Das war St. Brévin 2005, weißt du noch?" Ein Drachenhort memorierten Geschmeides, den ein Mensch im Laufe seines Lebens ansammelt. Wenn es nur überall und immer so einfach wäre, den Drachen zu besiegen, der ihn bewacht. Im Gegenteil: Manchmal wünschte man, so manches Armband wäre im Laufe der Jahre verschütt gegangen oder manch eine Halskette sei nach Jahrtausenden endlich verrottet. Doch nein, man wird sie nie los, diese Fesseln der Erinnerung.
Doch ich laufe Gefahr, daß man mich falsch versteht: Der Urlaub war großartig, und ich möchte ihn keinesfalls vergessen. Das rauhe, kräftige, urtümliche Küstenklima. Die Weite des Atlantiks, wilde Brandung, schrundige Steilküsten. Der Duft von Seetang und Holzkohle. Der gute Vorsatz, viele Postkarten zu schreiben. Das vergessene Adreßbuch. Die andere, melodische Sprache, die ich so liebe und die, wenn ich mich ihrer bediene, meine Mitmenschen vorbehaltlos zu verstehen scheinen, im Gegensatz zu meiner Muttersprache. C'est la vie, gewissermaßen.
September, Monat des Verlusts, September, Monat der Trauer.
Im Oktober dann Gewißheit und Verzweiflung.
Mir graut vor dem Mittwoch. Ich werde wohl verreisen, schon wieder. Not the same procedure as every year, please! Nicht nach dem, was geschehen ist, nicht mehr. Genug. Denn das Vorher ist lange her und vorbei; das Nachher grau und trübe, bisher wenigstens.
Grau und trübe auch die Post, die zu Hause in unerträglicher Geduld auf meine Rückkehr wartete: Zwei Verlagsabsagen. Doch eine erfreuliche Mail einer Agentur wartete ebenso. Ich werde reagieren, und wie. Gleich morgen, die Post hat lange geöffnet. Das verhohlene Grinsen der Angestellten: Schon wieder der junge Spund mit seiner hanebüchenen Korrespondenz. Dem schreibt doch wohl kaum je ein Verlag zurück, oder? Dem Aussehen nach eher wortkarg und introvertiert, scheint der Junge ja recht mitteilungsbedürftig zu sein. Jaja, stille Wasser sind tief.
Wenn ihr wüßtet, denke ich und grinse zurück.
"African lion's ears are often obscured by their thicker manes", lese ich irgendwo und staune. Noch eine Äußerlichkeit, die mich mit meinem Lieblingstier verbindet, und dazu so nett formuliert. Soll ich weitere aufzählen? Das Gähnen, das Schlafen, das Schnurren (manche Löwen schnurren tatsächlich! - hat man mir wenigstens gesagt), das Genießen, mehr sind in Arbeit.
Die Enttäuschung nach der Lektüre eines Buches: man ist ent-täuscht, vorher war man ge-täuscht. Nie zuvor habe ich die Trennung, die Unterschiedlichkeit zwischen meinem Leben, meinen Geschichten und den Geschichten und Figuren jenes Buches so sehr empfunden wie nach der Lektüre desselben. Keine Identifikation, kein Mit-Gefühl, wenngleich Sympathie (bestenfalls). Nicht die Spur einer Parallelität meiner Lebensweise und derjenigen der fiktiven Charaktere - und keine Rede davon, daß es mir etwas gegeben hätte. Ein hervorragendes, ein geniales Buch, trotzdem.
Ich brauche feste Schreib-Zeiten. Der vierte Roman reift, im Kopf wenigstens, und er will noch dieses Jahr geschrieben werden. Er ist wichtig, ich fühle es; doch noch herrscht Ungewißheit. Soll ich erzählen? Oder lieber selber tun, was ich erzählen könnte, um hinterher um so mehr erzählen zu können? Rast- und Ruhelosigkeit. Lange Spaziergänge am Abend: die Stille der Welt. Sehnsucht ...
Irgendwann einmal habe ich bei Stephen Hawking gelesen, daß immer, wenn irgendwo Ordnung geschaffen wird, die Gesamtmenge an Unordnung im Universum steigt. Das Universum möge mir verzeihen, daß ich mit diesem Beitrag so übermäßig viel Unordnung verursacht habe.
Doch ich laufe Gefahr, daß man mich falsch versteht: Der Urlaub war großartig, und ich möchte ihn keinesfalls vergessen. Das rauhe, kräftige, urtümliche Küstenklima. Die Weite des Atlantiks, wilde Brandung, schrundige Steilküsten. Der Duft von Seetang und Holzkohle. Der gute Vorsatz, viele Postkarten zu schreiben. Das vergessene Adreßbuch. Die andere, melodische Sprache, die ich so liebe und die, wenn ich mich ihrer bediene, meine Mitmenschen vorbehaltlos zu verstehen scheinen, im Gegensatz zu meiner Muttersprache. C'est la vie, gewissermaßen.
September, Monat des Verlusts, September, Monat der Trauer.
Im Oktober dann Gewißheit und Verzweiflung.
Mir graut vor dem Mittwoch. Ich werde wohl verreisen, schon wieder. Not the same procedure as every year, please! Nicht nach dem, was geschehen ist, nicht mehr. Genug. Denn das Vorher ist lange her und vorbei; das Nachher grau und trübe, bisher wenigstens.
Grau und trübe auch die Post, die zu Hause in unerträglicher Geduld auf meine Rückkehr wartete: Zwei Verlagsabsagen. Doch eine erfreuliche Mail einer Agentur wartete ebenso. Ich werde reagieren, und wie. Gleich morgen, die Post hat lange geöffnet. Das verhohlene Grinsen der Angestellten: Schon wieder der junge Spund mit seiner hanebüchenen Korrespondenz. Dem schreibt doch wohl kaum je ein Verlag zurück, oder? Dem Aussehen nach eher wortkarg und introvertiert, scheint der Junge ja recht mitteilungsbedürftig zu sein. Jaja, stille Wasser sind tief.
Wenn ihr wüßtet, denke ich und grinse zurück.
"African lion's ears are often obscured by their thicker manes", lese ich irgendwo und staune. Noch eine Äußerlichkeit, die mich mit meinem Lieblingstier verbindet, und dazu so nett formuliert. Soll ich weitere aufzählen? Das Gähnen, das Schlafen, das Schnurren (manche Löwen schnurren tatsächlich! - hat man mir wenigstens gesagt), das Genießen, mehr sind in Arbeit.
Die Enttäuschung nach der Lektüre eines Buches: man ist ent-täuscht, vorher war man ge-täuscht. Nie zuvor habe ich die Trennung, die Unterschiedlichkeit zwischen meinem Leben, meinen Geschichten und den Geschichten und Figuren jenes Buches so sehr empfunden wie nach der Lektüre desselben. Keine Identifikation, kein Mit-Gefühl, wenngleich Sympathie (bestenfalls). Nicht die Spur einer Parallelität meiner Lebensweise und derjenigen der fiktiven Charaktere - und keine Rede davon, daß es mir etwas gegeben hätte. Ein hervorragendes, ein geniales Buch, trotzdem.
Ich brauche feste Schreib-Zeiten. Der vierte Roman reift, im Kopf wenigstens, und er will noch dieses Jahr geschrieben werden. Er ist wichtig, ich fühle es; doch noch herrscht Ungewißheit. Soll ich erzählen? Oder lieber selber tun, was ich erzählen könnte, um hinterher um so mehr erzählen zu können? Rast- und Ruhelosigkeit. Lange Spaziergänge am Abend: die Stille der Welt. Sehnsucht ...
Irgendwann einmal habe ich bei Stephen Hawking gelesen, daß immer, wenn irgendwo Ordnung geschaffen wird, die Gesamtmenge an Unordnung im Universum steigt. Das Universum möge mir verzeihen, daß ich mit diesem Beitrag so übermäßig viel Unordnung verursacht habe.